bbu. Musikkonserven sind heute allgegenwärtig. Es fällt deshalb schwer, sich in die gänzlich andere Zeit vor MP3 und High Fidelity zurückzuversetzen. Noch 1950 war die Aufzeichnung von Tönen das Handwerk von spezialisierten Technikern. Dann brachte Willi Studer zusammen mit seinen gerade einmal sechs Mitarbeitern ein Gerät auf den Markt, das die Tonaufzeichnung revolutionieren sollte. Aufstieg und Niedergang seines Unternehmens sind ein Stück Schweizer Wirtschaftsgeschichte zwischen Hochkonjunktur und Globalisierung.
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Das Magnettonbandgerät war kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland erfunden worden. 1946 bot eine amerikanische Firma das erste Serien-Spulentonbandgerät zum Kauf an. Der 1912 geborene Studer erhielt den Auftrag, die aus den USA eingeführten Geräte für das Schweizer Stromnetz umzurüsten. Der als Verdingbub aufgewachsene Tüftler hatte sich zuvor mit dem Bau von Radios und anderen elektronischen Apparaten einen Namen gemacht. Kaum erstaunlich, dass Studer die Qualität dieser frühen Bandmaschinen nicht genügte. Deshalb entwickelte er zunächst eine verbesserte Version namens «Dynavox».
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1951 lancierte er dann ein Tonbandgerät mit der Bezeichnung Revox T26. Der Markenname Revox («Stimme zurückwerfen») war Studers eigene Idee gewesen - eine Tessiner Firma gleichen Namens, die Wecker herstellte, war glücklicherweise gerade Konkurs gegangen. Für den professionellen Einsatz folgte das Revox A27. Die PTT-Betriebe bestellten davon für die Schweizer Radiostudios gleich 60 Stück. Damit war der Durchbruch geschafft. Die Erfolgsgeschichte setzte sich in den fünfziger Jahren mit den Revox-Modellen A36 bis G36 fort. Die nüchternen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen wurden in der Gemeinde der Audiophilen schnell zu klingenden Namen. Als «High End»-Geräte ihrer Zeit waren diese frühen Revox-Produkte so einzigartig, dass sich trotz ihrem hohen Preis Werbung erübrigte. Ende des Jahrzehnts war Revox zum Schweizer Vorzeige-Weltunternehmen geworden.
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Zum eigentlichen Revox-Markenzeichen wurde die kompromisslose Hingabe an höchste Qualitätsstandards. Wenn Zulieferer seinen perfektionistischen Ansprüchen nicht genügten, liess Studer die benötigten Teile selber anfertigen. Legendär war vor allem auch die Langlebigkeit der grundsoliden Geräte, die im Ausland idealtypisch den Begriff Schweizer Qualität verkörperten. In den 1960er Jahren zeichneten die Beatles in London ihre Songs auf Studer-Studiobandmaschinen auf. Ende des Jahrzehnts bot Revox neben Tonbandgeräten und Verstärkern erstmals einen UKW-Tuner an, der für Hi-Fi-Enthusiasten sogleich Referenzcharakter erlangte. Zehn Jahre später waren komplette Revox-Stereoanlagen erhältlich.
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Die Kunden mussten für bestimmte Produkte Bestellfristen von bis zu fünf Monaten in Kauf nehmen. Rund 1500 Angestellte arbeiteten nun für Willi Studer. Trotzdem führte er als «Vater» sein Firmenimperium als uneingeschränkter Alleininhaber, der es gewohnt war, keine Rücksicht auf Teilhaber, Aktionäre oder Banken nehmen zu müssen. Genau das war aber seine Achillesferse. Nach der Rezession von 1975 expandierte Studer vor allem im professionellen Sektor der Studiomaschinen. Nach langem Zögern bot Revox 1981 ein Kassettengerät an, 1983 den ersten CD- Player. Studer selber konnte sich mit der neuen Digitaltechnik nie richtig anfreunden. Nach 1985 begann der Markttrend gegen Revox zu laufen. Studer wollte nicht wahrhaben, dass die Produktion von Hi-Fi-Geräten in der Schweiz angesichts des globalen Wettbewerbs ein Defizitgeschäft geworden war. Für sein Lebenswerk suchte er einen neuen Eigentümer, dem er klare Auflagen machte: Das Unternehmen sollte vollständig in Schweizer Händen bleiben, und sämtliche Mitarbeiter mussten übernommen werden.
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Erst 1991 fand sich ein Käufer, der Motor- Columbus-Konzern, der sich gerade einer Diversifizierungsstrategie verschrieben hatte. Damit wurde der Niedergang erst recht beschleunigt, und es begann ein trauriger Reigen aus Entlassungen, Kurzarbeit und Schliessung von Zweigwerken. 1994 wurde die Produktion der Studiogeräte an die amerikanische Firma Harman verkauft. Der Rest ging an eine luxemburgische Investorengruppe; er führt seither ein Nischendasein. Am 1. März 1996 starb Willi Studer. Am gleichen Tag eröffnete die Migros im ehemaligen Firmengebäude von Studer-Revox in Regensdorf einen Elektronik-Supermarkt. Wo früher Schweizer Hi- Fi-Spitzengeräte entstanden, werden nun Produkte der Konkurrenz aus Fernost verkauft.
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